von Eliane Drömer
Auszüge aus dem Interview vom 5.2.2010 mit Hans Riesch, Assistenztrainer Snowboardcross beim Snowboard-Verband Deutschland (SVD) und Konstantin Schad, Snowboarder, der in der Disziplin SBX bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver am 15.2.2010 für Deutschland starten wird.
Das vollständige Interview: www.augsburger-allgemeine.de
Zum Snowboardcross
2006 wurde Snowboardcross, kurz SBX, für die Olympischen Spiele als dritte Snowboard-Disziplin aufgenommen. Vier Fahrer starten gleichzeitig gegeneinander auf einer Abfahrtstrecke, die mit anspruchsvollen Schanzen, Kurven, Senken und weiteren Herausforderungen gespickt ist. Zwei steigen in die nächste Runde auf. Die Kombination aus enger Streckenführung mit direkten Duellen macht die Wettkampfform attraktiv für Zuschauer. Außer Konstantin startet in Vancouver für Deutschland noch David Speiser in dieser Disziplin.
Hans Riesch, 30 Jahre alt, ist staatlich geprüfter Snowboardlehrer, B-Trainer Snowboard DSV, veranstaltet auch Snowboardreisen und –events, er lebt mit seiner Familie in Gaißach bei Bad Tölz. Mehr unter http://straightline-sports.de/
Konstantin Schad, 22 Jahre alt, ist seit 2004 Mitglied der deutschen Snowboard Nationalmannschaft und mittlerweile im Weltcupteam Snowboardcross. Derzeit trainiert er hart für die olympischen Winterspiele. Er lebt in Fischbachau in der Nähe von Rosenheim. Sponsoren: Bundeswehr, Gore-Tex, Salomon, Pow, Bern, Sportoptik Bucher, Falke. Mehr unter http://konsti.eu/
Hansi, fürs SBX muss man technisch sehr vielfältig sein, kannst Du kurz erklären, welche Fähigkeiten gefordert sind?
Hansi: Im Grunde muss man ein kompletter Snowboarder sein. Sollte sich in der Luft bei Sprüngen und in schnellen Passagen wohlfühlen und auch eine solide Kurven- und Carvingtechnik sein eigen nennen. Und man sollte ein sog. wilder Hund sein, wenn es im Race Mann gegen Mann geht. Deshalb ist auch das Training sehr abwechslungsreich gestaltet. Vom Halfpipefahren über Klettern, spezifisches Snowboardcrosstraining bis zum Ausdauertraining auf dem Rennrad und MTB.
Konsti, Du scheinst ein Mann mit guten Nerven zu sein. Trotz Verletzungspech in 2008 und der zuletzt verpassten Qulifikation für die Top-16 in der Gesamtweltcupwertung hast Du Dein Ziel „Olympia 2010“ nie aus den Augen verloren. Dann hast Du die letzte Chance im Januar beim Weltcup im kanadischen Stoneham genutzt und Dich haarscharf für Vancouver qualifiziert. Alle fieberten mit Dir, erzähl mal…
Konsti: So gut waren die Nerven dann gar nicht mehr. Ich hab zwar bestens gegen den ganzen Psycho-Jazz gekämpft und es ging mir dann eigentlich ganz o.k., aber es stand schon einiges auf dem Spiel. Die halbe letzte Saison bin ich mit gerissenem Meniskus gefahren, um nicht den Anschluss zu verlieren und diese Saison kam während der Qualifikationsphase wieder ein Haufen Pech dazu. Ich hatte so viel investiert, dass es einfach nicht anders ging als sich zu qualifizieren und das habe ich letztendlich durchgezogen!
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Bild: Snowboardverband Deutschland (SVD); ride: Konsti
Wie ist die Olympia-Teilnahme in der Szene angesehen, da gabs in der Vergangenheit ja unterschiedliche Ansichten.
Hansi: Olympia ist inzwischen sehr angesehen, Anfangs gab es in der Disziplin Halfpipe einige, die das boykottierten. Mittlerweile sind aber wirklich die besten Rider der Welt dabei. Im Snowboardcross ist es DAS Race.
Konsti: Die olympischen Spielen sind als einziger FIS-Snowboardevent zu 100% akzeptiert und bei den Snowboardcrossern und den Alpinen ist das nicht so abwegig wie bei den Freestylern. Aber obwohl z.B. die meisten amerikanischen Halfpipefahrer den FIS-Weltcup die meiste Zeit boykottieren, tauchen immer so circa ein Jahr vor den olympischen Spielen alle Größen auf und wollen mitmachen.
Was ist das größte Problem des Snowboardens als Wettkampfsport in Deutschland?
Hansi: Es gibt so gut wie keine breite Nachwuchsförderung. Wir haben letztes Jahr begonnen, einen Nachwuchsstützpunkt im Allgäu zu installieren um dort talentierte und motivierte Jugendliche optimal zu fördern, inklusive Stützpunktrainer und angeschlossenem Internat. Auch für die PGSler gibt es das in Berchtesgaden schon seit einigen Jahren und es funktioniert auch ganz gut, siehe Amelie Kober und Co. Dort sind wir gut aufgestellt. Das eigentliche Problem liegt noch tiefer. Es gibt so gut wie keine Vereine die in der Snowboard Nachwuchsarbeit tätig sind (Ausnahme z. B. SC Miesbach). Dort fehlt uns die breite Basis an Kindern und Jugendlichen. Im Snowboardcross sind in Deutschland etwa 20 – 25 Athleten vom Jugendlichen mit 13 Jahren bis zum Olympiastarter aktiv. Wenn man dann sieht, dass wir immerhin zwei Starter bei den Spielen haben ist das ein guter Schnitt, aber doch noch sehr ausbaufähig. Snowboarden ist ein attraktiver Sport, man muss den Kids nur zeigen, dass man im Snowboarden recht schnell in einer Nationalmanschft landen kann, dass sie eine Perspektive haben. Aber dazu braucht es engagierte Menschen die diese Sportart in Deutschland weiterbringen wollen.
Hansi, Du bist auch bekannt als entspannter Freerider, der immer wieder neue Snowboardziele entdeckt, ob beim Zelten mit Knarre in Spitzbergen, auf 5000ern in Peru, auf dem höchsten Berg Europas, dem Elbrus oder in Kombination mit einer Segeltour auf den Lofoten. Wie betrachtest Du den Wettkampf-Zirkus rund um die Olympischen Spiele?
Hansi: Das ganze Wettkampfgeschehen rund um die Olympischen Spiele hat sich schon sehr zugespitzt. Fast alle Starter aus fast allen Nationen benötigen irgendeinen Startplatz, irgendeine Quote und so sind die Races in der Olympiasaison schon eine Nummer härter als sonst. Es wird um jeden Zentimeter gekämpft. Das beginnt natürlich auch schon in der Vorbereitung im Sommer und Herbst. Alles ist ein wenig intensiver, man versucht alles auszureizen. Der Druck auf die Rider ist sehr hoch und so lässt sich auch nicht immer die Leistung abrufen, die sie eigentlich bereit wären zu geben.
In all diesen Punkten unterscheidet sich das ganze natürlich auch erheblich vom „Freeriden“ ohne Druck und Zwang. Da ist es ja eher verpönt zu sagen: Für diese Line habe ich richtig „fighten“ müssen. Alles muss locker und easy ablaufen. Ohne „flow“ geht gar nichts. Wenn man beim Freeriden aber auf einem 6000 Meter hohen Berg steht und vor einem geht es mit 55° bergab, kommt jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit kein „flow“ auf, man muss sich aufs Äußerste konzentrieren, kämpfen. Dann, wenn man etwas Glück und natürlich das nötige Können hat, sollte alles funktionieren. Wenn man es aus dieser Sicht betrachtet, ist das Freeriden nicht so weit weg vom Wettkampfsport. Es kommt also immer auf die Perspektive an.
Bild: Christian Weiermann Rider: Hansi in Spitzbergen
Gäbe es keine Wettkämpfe und keine olympischen Spiele, wäre auch das Ridinglevel besonders im Snowboarden noch lange nicht so hoch wie jetzt. Am deutlichsten sieht man das alle vier Jahre in der Halfpipe. Jedes Mal vor den Spielen wird das Niveau enorm in die Höhe geschraubt. Vor vier Jahren gab es die 1080s in der Pipe. Vorher konnte es sich keiner vorstellen, die dort zu stehen. Dieses Jahr sind es die sog. Doublecorks (zweifache Drehungen über Kopf, kombiniert mit Drehungen um die Körperlängsachse mit 1080 oder 1260°). Somit ergänzen sich diese zwei Welten des Snowboardens eigentlich recht gut und die Snowboardwelt, besonders in Deutschland, täte gut daran, die Augen zu öffnen und einander zuzuschauen.
[…]
Danke Euch und natürlich die besten Wünsche für Olympia!!
Übertragungstermine der Snowboard-Disziplinen bei den Olympischen Winterspiele 2010:
Qualifikation SBX Herren wird am 15.2. ab 20.15 Uhr live in der ARD übertagen und ab 23 Uhr auf Eurosport das Finale, Wiederholung am 16.2. um 6 Uhr morgens.
Finale SBX Damen am 16.2. um 18.50 Uhr live im ZDF.
Termine wo man die Nationalmannschaft live sehen kann unter:
http://www.snowboardverband.com/wettkaempfe/kalender.html
Snowboard Mannschaft Vancouver 2010
HALFPIPE: Christophe Schmidt
BORDERCROSS: David Speiser, Konstantin Schad
PGS: Amelie Kober, Isabella Laböck, Selina Jörg, Anke Karsten, Patrick Bussler
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